Der persische Prophet Zarathustra sah, dass zwei entgegengesetzte Mächte in dieser Welt wirksam sind. Aber diese beiden Gewalten sind bei ihm nicht etwa wie im modernen Dualismus als Diesseits und Jenseits, als Geist und Stoff unvereinbar voneinander geschieden, sondern vielmehr wie Gut und Böse, wie Leben und Tod, Licht und Finsternis, als der Gegensatz des Dunklen und des Hellen, als der Unterschied von Tag und Nacht in der gegeneinander gesetzten Spannung zweier Pole gesehen, die sich gegenseitig herausfordern.

Es gibt viele Menschen, die der Meinung sind, auf der einen Seite stünden in diesem Kampf die religiösen Menschen, die Idealisten und die Frommen, und auf der anderen Seite wären die materialistischen, die auf das Äußere gerichteten Menschen zu finden. Und diese vorläufige Einteilung hat sicherlich einen gewissen menschlich-psychologischen Sinn; aber sie geht der Sache nicht auf den Grund.

Der große Kampf, um den es sich handelt, ist vielmehr ein Kampf, der sich in dem Herzen eines jeden materialistischen und eines jeden religiösen, idealistischen oder gläubigen Menschen abspielt. Es ist ein Kampf, der sich in der Menschheit und im Menschen selbst abspielt, ohne dass wir sagen könnten, auf der einen Seite seien die Guten und auf der anderen Seite die Schlechten zu finden. Und es ist nicht wahr, dass das religiöse Leben gut und das materialistische Leben schlecht ist, sondern man muss nachspüren und erkennen, wo das materialistische Denken seinen Glauben hat und wo das religiöse Leben seinen Gott findet, wo beides seinen Geist hat, wohin sich seine Verehrung richtet.

Der große Kampf, um den es sich handelt, ist vielmehr ein Kampf, der sich in dem Herzen eines jeden materialistischen und eines jeden religiösen, idealistischen oder gläubigen Menschen abspielt.

Es gibt, für das Religiöse wie für das Atheistische, einen Anti-Gott, den wir als Gott verehren können. Die Zeit der ersten Christen war von der Überzeugung durchdrungen, dass es in der Welt einen Gott gibt, der nicht der Gott Jesu Christi ist. Es gibt einen Gott der gottlosen Weltreligion im Gegensatz zu dem Leben, das Jesus führte – einen Gott der jetzigen Weltzeit, im Gegensatz zur Zukunft Gottes und seiner Ewigkeit.

Sein Wesen ist Arbeit ohne Seele, Geschäft ohne Liebe, Maschine ohne verbindenden Geist, Besitzgier ohne gegenseitige Hilfe, Lust statt Freude, Vernichtung der Konkurrenten, Täuschung und Blendung in der Vergötzung des Eigentums. Er ist ein Übergangsgott des gegenwärtigen Zeitalters der Geschichte. In Wirklichkeit ist dieser Abgrund, dieses Dämonische, dieses Satanische, dieses Böse gerade am religiösesten Platz am Werk, besonders dort, wo das Religiöse den besten Anschein hat, wo es die frömmste Maske trägt.

In den Schriften des Urchristentums steht, dass ein Gott dieser Weltzeit denen, die nicht glauben können, denen, die zugrunde gehen, den Sinn verblendet hat, dass er ihnen das Auge verdorben hat, so dass sie nicht mehr imstande sind, die Hauptsache zu sehen, die Nachricht der Zukunft, die Nachricht der Befreiung, die Nachricht der kommenden Menschheitseinheit, die Nachricht des kommenden Gottes zu fassen. Jesus, der uns in das Kommende hineinführt, hat gegen diesen Geist den Krieg eröffnet. Eben im Sinne dieses Kampfs und in der Gewissheit dieses Siegs sagte Jesus: „Ihr könnt nicht zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Amedeo Modigliani, Studie eines Kopfes

Was ist Mammon?

Wir würden das Wort Gott Mammon nicht verstehen können, wenn wir nicht auch die anderen Bezeichnungen kennen würden, in denen Jesus das Wesen dieses Geistes entlarvt. Er nennt ihn den „Mörder von Anfang“ und den „Vater der Lüge“, und er bezeichnet seine Geister als die „unreinen Geister.“ (Joh 8,44, Mt 10,1). Mord ist sein Handeln, Lüge ist sein Charakter, und Unreinheit ist sein Gesicht.

Diese Eigenschaften sind für Moralisten vier ganz verschiedene Dinge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, aber für alle, die in die Tiefe sehen, ist zwischen diesen vier Dingen letztlich kein Unterschied. Der Mammonismus ist der gierige Wille, der besitzen, festhalten und genießen will. Es ist also klar, dass diese scheinbar verschiedenen Bezeichnungen des Mammons, der Lüge, des Mordes und der Unreinheit ein und denselben Geist, einen und denselben „Gott“ enthüllen. Die Wirklichkeit, die uns umgibt, beweist, über welche ungeheure Macht dieser Gott in der Welt verfügt.

Jesus spricht:„Sammelt euch kein Vermögen auf der Erde“ und „Verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen, und komm, gehe den ganz anderen Weg mit mir.“ (Mt 6,19, Lk 18,22) Der Reichtum wird zum Fluch, weil er die Befreiung verhindert. Er wird zum Leid, weil er überfüllt, ohne erfüllen zu können. Privatbesitz tötet die Freundschaft und begründet die Ungerechtigkeit. „Wehe euch Reichen, wehe euch, die ihr voll seid: Selig ihr Armen.“ (Lk 6,20.24)

Deshalb müssen wir umkehren: Wir müssen durch das Weggeben des Mammon Freundschaft gewinnen und durch die Abkehr von der Ungerechtigkeit zur Gemeinschaft kommen. „Macht euch Freunde durch den ungerechten Mammon.“ (Lk 16,9). Gewinnt die Freundschaft der Herzen, indem ihr alles verschenkt, was ihr besitzen könntet! Geht den neuen Weg, den Weg der Gemeinschaft vom Geist aus! Geht hinein in die Gemeinschaft der Menschen! Sucht die Einheit, die von Gott durch die Seele hindurch bis in die materiellen Dinge hineinreicht. Weg vom Mammon, hin zu Gott!