Die besonderen Herausforderungen der australischen Landwirtschaft

Pflug Magazin: Der Danthonia-Bruderhof feiert im Mai 2019 sein 20. Jubiläum. Wie hat die Gemeinschaft im Laufe der Zeit herausgefunden, wie das Land am besten bewirtschaftet werden kann?

Johannes Meier: Der Bruderhof hat 1999 zwei benachbarte Farmen im Distrikt Northern Tablelands in New South Wales, Australien, erworben. Die Region ist landwirtschaftlich geprägt und gilt als relativ regensicher, zumindest auf dem Papier. Zwei Familien und einige Singles aus den USA packten also ihre Koffer und begaben sich auf die Reise – und so nahm die Gemeinschaft des Danthonia-Bruderhofs ihren Anfang.

Wir kamen voller Tatendrang – und ohne jede Erfahrung! Im ersten Jahr behielten wir zu unserer Unterstützung den Farmmanager von Danthonias früherem Eigentümer, bevor wir uns selbst an den Farmbetrieb wagten. Wie die meisten Farmen in diesem Distrikt hatte Danthonia bis dato im Mischbetrieb gearbeitet. Rinder und Merinoschafe wurden als Weidevieh gehalten, und im Winter wurde Getreide, im Sommer Bohnen, Hirse, Mais und Sonnenblumen angebaut. Im ersten Jahr führten wir den Anbau dieser Ackerkulturen fort und es lief gut. Dann aber beschlossen wir, uns nur noch auf die Viehwirtschaft zu konzentrieren.

Die Erfahrungen dieser ersten Jahre zeigten uns, was die landwirtschaftliche Arbeit wirklich kostet, selbst wenn das Wetter mitspielt. Da gilt es nicht nur die Fahrzeuge und Geräte zu warten und am Laufen zu halten, sondern auch Herbizide, Saatgut, Düngemittel usw. müssen bezahlt werden. Mit der ersten Schurwolle unserer Schafe konnten wir gerade einmal die Kosten für Wurmmittel und die Schur selbst decken. Uns wurde klar, dass die Einnahmen die wachsende Gemeinschaft nicht einmal annähernd tragen würden. Außerdem stießen wir mit der Farm an die Grenzen unserer Arbeitskraft, weil wir gleichzeitig Gebäude errichteten und außerdem versuchten, uns in unserer neuen Nachbarschaft einzubringen.

So kam es, dass wir begannen, uns mit der Herstellung von Schildern ein Einkommen zu sichern. Das entwickelte sich gut und inzwischen kann unsere Gemeinschaft, die mittlerweile auf 220 Menschen angewachsen ist, ihren Lebensunterhalt damit erwirtschaften.

Johannes Meier

Warum habt Ihr die landwirtschaftliche Arbeit nicht einfach ganz aufgegeben?

Die Lebensweise des Bruderhofs war schon immer eng mit dem Land verbunden. Das geht bis auf frühe Pioniere wie Philip Britts zurück. In den ersten vier Jahrzehnten unseres gemeinschaftlichen Lebens sorgte die landwirtschaftliche Arbeit praktisch dafür, dass wir etwas zu essen auf dem Tisch hatten; seither verdienen wir unser Geld in erster Linie mit der Herstellung verschiedener Produkte. Die Gründung des Danthonia-Bruderhofs vor 20 Jahren war also eine Gelegenheit, uns wieder mit dem Land zu verbinden. Mit der Zeit konnten wir unsere landwirtschaftliche Nutzfläche mit einigen Zukäufen auf mehr als 2000 Hektar vergrößern, von denen vielleicht die Hälfte Weideland war und ein Viertel für Anbauzwecke genutzt wurde. Der Rest waren bewaldete Hänge und unwirtliches Gelände, das sich nur marginal für die Weidewirtschaft eignete.

Trotzdem kamen wir noch nicht zurecht. Also schraubten wir zurück und probierten einige der üblichen Modelle aus. Wir hatten Vertragspartner, die ihr Vieh gegen ein Entgelt auf unserem Gelände hielten. Einige Jahre lang verpachteten wir die Farm. Allerdings mussten wir feststellen, dass es die Pächtern in der Regel darauf anlegten, so viel Geld wie möglich zu erwirtschaften, was häufig auf Kosten der Landschaft ging. Nach wenigen Jahren hatte unser Land durch Überweidung stark gelitten.

Die Luftaufnahmen von Danthonia im Jahr 2000 (links) und 2017 (rechts) zeigen das Wachstum der Gemeinschaft in einer genesenden Landschaft.

Meine Familie kam im November 2004 nach Danthonia, als die Auswirkungen der Trockenperiode, die als Australiens Jahrtausenddürre bekannt werden würde, bereits schmerzhaft spürbar waren. Die Trockenheit wurde immer gravierender und dauerte bis Herbst 2010. Sie brachte uns dazu, intensiv darüber nachzudenken, wie wir eigentlich mit unserer Landschaft umgingen. Ich war ursprünglich aus England gekommen, wo der Regen eher ein ständiger Begleiter als ein ersehnter Segen ist. Umso ungewöhnlicher war es für mich, dass ich nun in ständiger Hoffnung auf das Geschenk des Regens immer wieder nach Westen schaute und Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr die Wolken beobachtete. Wenn es dann gelegentlich doch einmal regnete, reagierte das Land jedoch kaum – so gravierend war sein Zustand inzwischen.

Dann trocknete 2007 unser Bach aus. Es ist ein schönes Bächlein, das von Weidenbäumen gesäumt durch eine breite Talaue am Fuße des Swan Peak, des markanten Wahrzeichens von Danthonia, fließt. Nie werde ich diesen Anblick vergessen: die mit Algen überzogenen letzten Wasserreste, die vielen toten Fische – Goldbarsche, Tauwelse und Dorschbarsche, einige bis 80 Zentimeter lang –, die erodierten, abbröckelnden Ufer … der versiegte Wasserstrom. Zwei Jahre später geschah es noch einmal, nur gab es diesmal keine toten Fische mehr. Sie waren schon alle weg. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Das kann nicht richtig sein. Was tun wir hier eigentlich?“

Inmitten der Dürre traten wir also in einen mühsamen Prozess ein, der uns zu der Erkenntnis führte, wie wir unsere Landschaft retten und wieder mit Leben und Gesundheit füllen konnten.

Die Jahrtausenddürre

War denn die Jahrtausenddürre wirklich ein so außergewöhnliches Ereignis? Ist Trockenheit nicht schon seit jeher Teil des australischen Klimas?

Das stimmt nur teilweise. Ohne Zweifel ist es eine raue Umgebung und Dürreperioden und Überschwemmungen muss man einfach mit einplanen. Die Landwirte in unserer Region berichten, dass man für zehn Jahre mit zwei überreichen Erntejahren, drei bis vier akzeptabel-bis-mittelmäßigen Jahren und drei bis vier kompletten Missernten rechnen muss.

Zusätzlich zu dem in Australien ohnehin unbeständigen Wetter müssen wir aber jetzt auch noch mit dem Klimawandel fertigwerden: Seit den 1950er-Jahren sind die Durchschnittstemperaturen deutlich angestiegen und immer häufiger gibt es Tage, an denen Extremtemperaturen herrschen. Für die Landwirtschaft ist das natürlich problematisch.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Teil einer viel längeren Geschichte sind. Australien ist die Heimat der ältesten fortlaufenden Zivilisation: Man glaubt, dass die ersten australischen Ureinwohner hier seit rund 65.000 Jahren leben. Setzt man diese Zeitspanne ins Verhältnis zu einem einzigen Tag, dann sind die ersten europäischen Siedler – die First Fleet, die 1788 aus England in der Botany Bay eintraf – vor nicht einmal sieben Minuten hier angekommen.

Einige dieser Europäer führten ausgezeichnete Tagebücher oder hielten in Zeichnungen und auf Bildern fest, was sie vorfanden. Das Land, das sie beschreiben, war lebendig und gesund. Die natürlichen Wiesen setzten sich aus drei- bis vierhundert Pflanzenarten zusammen. In den Talsystemen wuchs auch dann saftiges frisches Gras, wenn drei Monate lang kein Regen gefallen war.

Koppel und Damm vor dem ganzheitlichen Management und danach: 2007 (links) und 2015 (rechts)

Aus diesen Aufzeichnungen wird auch deutlich, dass die fruchtbaren Gebiete keineswegs auf die Küstenlinie begrenzt waren. Sie beschreiben eine Landschaft, die sich auf wunderbare Weise an das zyklische Klima angepasst hatte und dank besonderer Funktionen in der Lage war, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Der Mutterboden war demnach ein bis zwei Meter tief und wies so tiefe Risse auf, dass man eine Machete und seinen ganzen Arm hineinstecken konnte und noch immer nicht unten anstieß. Dieser Boden war so schwammig, dass selbst in einer Dürreperiode die Spuren eines einzelnen Wagens in der Grasnarbe über Jahre sichtbar blieben.

Die Forscher fanden eine Landschaft vor, die ganz anders als die europäische Landschaft funktionierte, wo lange Wasserstraßen überflüssiges Wasser ins Meer transportieren. Stattdessen hatte Australien breite, weite Talauen, die mit mehr als dreieinhalb Meter hohem Schilf bewachsen waren, Sumpfgebiete mit vereinzelten Wasseransammlungen und seichte Flussbetten, in denen das Wasser durch die Täler bergab floss. Einige dieser Auensysteme waren bis zu 40 Kilometer breit und konnten immense Wassermengen aufnehmen, die in Trockenzeiten in die Landschaft freigegeben wurden. Andere wie die Feuchtgebiete entlang des Bachs von Danthonia waren schmaler, erfüllten aber eine ähnliche Schwammfunktion.

In diesen Systemen spielten Pflanzen eine besondere Rolle. Schilf und verschiedene weitere Pflanzen in mehreren Stockwerken steuerten den Wasserhaushalt der Landschaft. Tragischerweise erkannten die ersten Europäer dies nicht. Sie brachten ihre eigenen Vorstellungen mit: Die Sumpfgebiete wurden trockengelegt, die Wasserstraßen für Boote geöffnet, in den Tälern grasten nun Harthufer, die Muttererde wurde gepflügt und beackert und Monokulturen wurden angebaut.

Die Ergebnisse waren katastrophal. Die Zerstörung funktionierender Auengebiete und landwirtschaftliche Praktiken, die die natürliche Fähigkeit der Landschaft zur Speicherung von Wasser und zur Kontrolle von Salzen ignorieren, haben in weniger als zehn Generationen dazu geführt, dass sich Australien heute mit einer massiven Erosion und Versteppung konfrontiert sieht. Inzwischen bauen wir auf dem Unterboden an, nicht auf dem Mutterboden. Die natürliche Vielfalt der Pflanzen und Tiere ist nur ein Schatten dessen, was sie früher einmal war. Da nur noch wenige Pflanzen dazu beitragen, Wasser in der Landschaft zu speichern, seine Bewegung zu verlangsamen, die Flussauen fruchtbar zu halten und Salze zu kontrollieren, wird praktisch das gesamte Niederschlagswasser ins Meer gespült – und mit ihm tonnenweise wertvoller Muttererde.

Dennoch würde manch einer Deine Ansichten als viel zu pessimistisch beurteilen. Steckt die australische Landwirtschaft wirklich in der Krise?

Ich kann nur aus Sicht der Farmer hier im Osten Australiens sprechen. In den Medien wurde umfassend über die Probleme der Landwirte berichtet: Infolge der Dürre ist die Pflanzendecke auf dem Boden nahezu verschwunden, das Vieh verhungert, Buschbrände haben zugenommen und überall weht Staub. Viele Farmer sagen, das sei die schlimmste Dürre der letzten 100 Jahre. Sie mussten ihren Viehbestand drastisch reduzieren und haben in den letzten ein bis zwei Jahren Heu und Getreide handgefüttert.

Für viele bedeutet diese Situation den finanziellen Ruin. Die Tatsache, dass unsere Regierungsbehörden Nothilfen in Milliardenhöhe an Farmer ausgegeben haben, zeigt das Ausmaß der Krise. Und für den einzelnen Farmer sind die Beihilfen oft nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nach allem, was ich von zahlreichen Farmern in diesem Land weiß, und aus den Erkenntnissen internationaler Wissenschaftler und Landwirte lässt sich meiner Ansicht nach zweifelsfrei schließen, dass dies größtenteils auf konventionelle landwirtschaftliche Methoden zurückzuführen ist, die großen Schaden angerichtet haben, besonders hier in Australien.

Jenseits der konventionellen Landwirtschaft

Sind aber die landwirtschaftlichen Methoden, die im Laufe der letzten einhundert Jahre entwickelt wurden, nicht enorm effektiv, wenn es darum geht, mehr Nahrungsmittel anzubauen?

Es stimmt, dass wir mithilfe von Mechanisierung und Kunstdünger viel mehr Nahrungsmittel produzieren können. Auf den ersten Blick mag dies als wunderbarer Fortschritt erscheinen – viel mehr Nahrungsmittel für viel weniger Arbeit. Doch wird immer deutlicher, dass die industrielle Landwirtschaft den natürlichen Ökosystemen, von denen der Mensch abhängt, enormen Schaden zufügt. Die Landschaft, die Tiere und auch wir, die Verbraucher, leiden letztlich darunter. Und wie wir hier in Australien sehen, ist irgendwann Schluss.

Nehmen wir zum Beispiel die intensive Bodenbearbeitung. Durch Pflügen und Eggen werden die Bodenorganismen, eine wichtige Quelle für Pflanzennährstoffe, den Elementen ausgesetzt. Feuchtigkeit verdunstet, der Boden erodiert und Bodenkohlenstoff geht verloren. Die Böden hier bei uns sind Vertisole – schwere, tonreiche Böden, die im ausgetrockneten Zustand aufreißen und sehr erosionsanfällig sind. Schon ein starkes Gewitter reicht aus, damit ein gepflügter Boden um mehrere Zentimeter Muttererde ärmer ist – eine Beobachtung, die wir in Danthonia bereits zu Beginn unserer landwirtschaftlichen Arbeit in Australien machten.

Mit der Industrialisierung kamen die Monokulturen – riesige Felder, auf denen nur eine einzige Pflanzensorte angebaut wird. Jeder Landwirt arbeitet mit Fruchtfolgen, wenn wir jedoch ignorieren, welchen Beitrag verschiedene Pflanzen durch ihre Wurzelausscheidungen zur Biologie des Bodens leisten (dazu später mehr), und synthetische Düngemittel einsetzen, die solche Wurzelausscheidungen ganz und gar unterbinden können, bedeutet dies für unseren Boden das Todesurteil.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die riesigen Fabriken, in denen am laufenden Band Ammoniumnitrat für Sprengstoffe produziert worden war, zunächst geschlossen – bis jemand entdeckte, dass Ammoniumnitrat für Pflanzen eine wunderbare Stickstoffquelle war. Bald schon wurden die drei Hauptnährstoffe für das Pflanzenwachstum – Stickstoff, Phosphor und Kalium – künstlich hergestellt und mit Volldünger auf die Felder gebracht.

Die Pflanzen schienen das zu lieben. Sie wuchsen höher und lieferten höhere Erträge. Aber der Boden litt. In einem gesunden Ökosystem leben Pflanzen in Symbiose mit dem Boden und tauschen Glucose gegen Nährstoffe aus. Mit unserem Volldünger verursachen wir jedoch in diesem Nährstoffkreislauf eine Art Kurzschluss. Wir bremsen zahlreiche weitere Nährstoffe und Mikronährstoffe aus, die ansonsten ihren Weg in die Pflanze finden und ein nährstoffreiches Produkt aufbauen würden. Die Folge ist, dass unsere Pflanzen nun einen beklagenswerten Nährstoffmangel aufweisen. Tatsächlich zeigen Untersuchungen des Wissenschaftlers Donald R. Davis, dass wir deutlich mehr Obst und Gemüse als unsere Großeltern essen müssen, um den gleichen ernährungsphysiologischen Nutzen zu erreichen. Es gibt zuverlässige Belege für einen Zusammenhang zwischen diesen Ernährungsdefiziten und unseren zunehmenden gesundheitlichen Problemen.

Dazu kommt noch das Gebräu von Chemikalien, das wir über Jahre in unsere Landschaft gepumpt haben, ohne zu verstehen, welche toxischen Auswirkungen sie auf unser Ökosystem und uns selbst haben. Durch unsere westliche Ernährung nehmen wir mittlerweile systematisch giftige Chemikalien zu uns. Glyphosat (der Hauptbestandteil des Unkrautvernichtungsmittels Roundup), das zunehmend im Verdacht steht, krebserregend zu sein, findet sich inzwischen überall, sei es im Frühstücksmüsli unserer Kinder oder in deutschem Bier, bei dem für einige Sorten das Dreihundertfache des legalen Grenzwerts für Trinkwasser festgestellt wurde. Eine Studie kam 2016 zu dem Ergebnis, dass Glyphosat im Urin von 93 Prozent aller US-Amerikaner nachgewiesen werden konnte. Welchen Beitrag leisten Agrochemikalien zum Anstieg einer großen Spanne von Krankheiten in westlichen Ländern – Autoimmunstörungen, Adipositas, Diabetes, Herzkrankheiten, Unfruchtbarkeit und Autismus?

Ein weiterer Aspekt der industriellen Landwirtschaft, der sich insbesondere hier in Australien häufig als destruktiv erwiesen hat, ist die intensive Bewässerung. In Landschaften, in denen die Niederschläge nicht ausreichen, haben sich zwar damit landwirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, doch hat das Grundwasser in diesen Regionen häufig einen hohen Salzgehalt. Im Laufe der Zeit hat die durch Bewässerung verursachte Salzanreicherung im Boden riesige landwirtschaftliche Flächen ruiniert. Unser unersättlicher Wasserbedarf überfordert die Grundwasserleiter, was anhaltende Dürren zur Folge hat. In Australien entfallen 50 bis 70 Prozent des Wasserverbrauchs für das gesamte Land auf die Landwirtschaft, obwohl sie nur 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Unlängst haben australische Medien umfassend über die ökologische Katastrophe im Murray-Darling-Flusssystem berichtet, die zu großen Teilen durch eine fehlgeleitete landwirtschaftliche Wassernutzung verursacht wurde.

Aber die gute Nachricht ist: Es gibt auch einen Weg zurück. Wir können mit der Zerstörung aufhören und wieder einen besseren Zustand herstellen. Wir können mit der Natur zusammenarbeiten, damit sich das Land praktisch selbst heilt. Es gilt einfach nur bestimmte Prinzipien zu verstehen und zu respektieren. Wir haben eine Weile gebraucht, bis wir uns mit diesen wichtigen Prinzipien arrangieren konnten. Jetzt aber wissen wir, dass wir logischen Schritten folgen müssen.

Jung und Alt setzen Olivenbäume

Wie funktioniert das genau? In Danthonia regnet es etwa so viel wie in der Umgebung, und dennoch gibt es hier Futter für das Vieh und Wasser in den Dämmen, während benachbarte Farmen verdorrt sind und die Tiere dort hungern. Wie kommt dieser signifikante Unterschied zustande?

Die Antwort auf diese Frage hat viele Facetten. Schauen wir uns zunächst an, was eine gesunde Landschaft ausmacht.

Ein Indikator für die Gesundheit eines Ökosystems ist es, wenn seine Pflanzen in der Lage sind, Sonnenlicht in Glucose umzuwandeln. Diese Glucose unterstützt das Pflanzenwachstum und wird auch in den Boden gespeist, wo sie in Humus umgewandelt wird – jene beeindruckende Substanz im Mutterboden, die neben Mineralstoffen und anderen Ressourcen auch das Vierfache ihres eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen kann. Durch die Aktivität der Pflanzen werden Humus und organische Substanzen angereichert, der Kohlenstoffgehalt im Boden steigt und das Land kann mehr Feuchtigkeit absorbieren und speichern. Dann fließt Regenwasser nicht mehr über die Abhänge ins Meer, sondern verbleibt in der Landschaft.

Berechnungen von Wissenschaftlern zufolge kann die Landschaft für jeden Prozentpunkt an vorhandenem Bodenkohlenstoff 140.000 Liter Wasser pro Hektar speichern. Bevor sich die europäischen Siedler in Australien niederließen, betrug der durchschnittliche Kohlenstoffgehalt im Boden 7 bis 20 Prozent – heute liegt er im Durchschnitt unter einem Prozent. Wenn wir diesen Anteil auch nur auf 5 Prozent steigern könnten – was immer noch weniger ist als vor der Besiedlung –, dann könnten schon vier Hektar Land mehr Wasser speichern, als in ein olympisches Schwimmbecken passt.

Das zu verstehen ist eine Sache. Aber wie können wir die Landschaft wirklich wieder zurück in einen gesunden Zustand versetzen? Nachdem wir hier in Danthonia sahen, wie die Pächter unserem Weideland durch Überweidung zugesetzt hatten, wussten wir, dass die Antwort auf diese Frage auch mit unserer Art der Viehwirtschaft zu tun hatte. So stießen wir auf das Konzept des ganzheitlichen Weidemanagements und seinen Verfechter, Allan Savory, ein Ökologe, Umweltschützer und Viehfarmer aus Zimbabwe, der herausfinden wollte, warum die afrikanische Landschaft trotz eigentlich geringer Herdengrößen unter einer sogenannten Überweidung litt. Schließlich fiel ihm auf, dass die Herden einst eng zusammenbleiben mussten, um sich vor Raubtieren zu schützen, diese Raubtiere inzwischen jedoch durch die Jagd dezimiert worden waren. Seine Experimente zeigten, dass die Landschaft zu neuem Leben erwachte, wenn das Vieh enger beieinander gehalten wurde, um die traditionelle Herdendichte nachzuempfinden.

Wenn sich die Gnus in den afrikanischen Savannen oder die Büffel in den amerikanischen Great Plains in großen, eng verdichteten Herden bewegten, an deren Rand sie von Löwen oder Wölfen bedrängt wurden, taten sie weit mehr, als einfach nur Gras zu fressen und zu zertrampeln: Indem sie eine Fläche relativ schnell gründlich abgrasten und mit ihrem Dung bereicherten, bevor sie weiterzogen, hinterließen sie den dortigen Pflanzen optimale Wachstumsbedingungen. Und dass diese Gebiete fruchtbar waren, wissen wir: In den USA entstand auf diese Weise eine meterhohe Mutterbodenschicht – die dann bewirtschaftet und in den Jahren der Staubstürme einfach weggeweht wurde.

Das ist ganzheitliches Weidemanagement in aller Kürze. Als wir die Grundlagen verstanden hatten, holten wir unsere Zaunwerkzeuge und verkleinerten unsere großen Weidekoppeln, um mehr Tiere auf engerem Raum über kürzere Zeiträume unterzubringen. Die ganzheitliche Beweidung erfordert eine sorgfältige Planung und Dokumentation. Außerdem müssen die Tiere häufig umgetrieben werden, manchmal sogar täglich. Meiner Meinung nach ist dies unser wirksamstes Mittel, damit sich die Landschaft verändert und wieder erholt. Genau darum geht es bei dem, was wir als regenerative Landwirtschaft bezeichnen.

Inwiefern hilft das, um mit den Auswirkungen der Dürre fertigzuwerden?

Etwa 2006 begegneten wir Peter Andrews, einem Australier, der sich seit 40 Jahren damit befasst, wie die Landschaft regeneriert werden kann. Peter ist einfach genial: Er kann Landschaften regelrecht lesen und versteht, mit welchen Funktionen sie wiederhergestellt werden können. Anhand seiner Ideen hat er eine Methode entwickelt, die als Natural Sequence Farming bezeichnet wird.

Als die Jahrtausenddürre 2007 ihren Höhepunkt erreicht hatte, besuchte ich Peter auf seiner Farm. Er zeigte mir zuerst das benachbarte Gelände und den komplett ausgetrockneten Bach. Dann liefen wir stromabwärts zu seinem Land. Schon bald stießen wir auf erste Wasseransammlungen und grünbewachsene Talauen. Als wir das andere Ende seines Grundstücks erreicht hatten, war aus dem Bach wieder ein fließender Strom geworden. Es war wirklich erstaunlich: Inmitten einer wüstentrockenen Landschaft floss ein Bach, umgeben von dichten Bäumen und Büschen, mit einem reichen Tierleben. Wir liefen weiter auf das angrenzende Gelände. Kaum 300 Meter flussabwärts von Peters Farm war das Flussbett wieder trocken. Noch nie hatte ich einen so deutlichen Beweis dafür gesehen, wie das lokale Ökosystem und das Wasser in der Landschaft miteinander verbunden sind. Für uns in Danthonia war das eine wahre Inspiration: Wenn Peter Andrews das konnte, warum nicht wir?

Mit Peters Unterstützung begannen wir, die Methoden des Natural Sequence Farming anzuwenden. Wir ließen unsere Tiere nicht mehr in die Nähe des Bachufers, damit sich der Bach erholen konnte und die Vegetation entlang seiner Ufer und Niederungen angeregt wurde. In diesen Bereichen pflanzten wir zahlreiche Bäume. In Hochwasserzeiten hilft diese Vegetation, das Wasser zu verlangsamen und Nährstoffe zu halten. Ziel ist es, die natürliche Wiederherstellung verbundener Weiher und Schilfgebiete anzuregen, wie es sie hier einst über Jahrtausende hinweg gegeben hatte.

Weiter oben auf den Hängen arbeiten wir daran, andere einst natürliche Funktionen nachzustellen, indem wir durch Querdämme Wasser aus starken Regenfällen zurückhalten. Wenn die Dämme überlaufen, kann sich das Wasser durch strategische Öffnungen langsam verteilen, damit es vom Land absorbiert werden kann. Auch Nährstoffe, die ansonsten den Abhang hinabgespült würden, verteilen sich so gleichmäßig. Unter den Querdämmen pflanzen wir Bäume, die diese Nährstoffe nutzen, Schatten spenden und die Bodenbiologie positiv beeinflussen. In unserem Tal, das in den Bach abläuft, entwickeln wir ein System aus Weihern und Schilfgebieten und pflanzen Bäume, um die Wasserbewegung zu verlangsamen.

In den vergangenen 20 Jahren hat die Gemeinschaft Tausende von Bäumen gepflanzt. Warum?

Bislang haben wir rund 100.000 Bäume gepflanzt. Sie bringen uns die verschiedensten Vorteile. Bäume bremsen den Wind ab, der über die Landschaft zieht; das ist gut, denn je schneller der Wind weht, desto mehr Feuchtigkeit verlieren wir. Und Bäume bieten Lebensraum und Schatten. Im Vergleich zu Weideland absorbiert die Erde dort, wo es Bäume gibt, das bis zu 60-Fache an Niederschlagswasser. Mit ihren Wurzeln holen sie Nährstoffe von ganz tief unten – und ein ausgewachsener Baum gibt jährlich ca. sieben Prozent seiner kompletten Biomasse in den Boden ab, wovon wiederum flachere Pflanzen profitieren. Außerdem sind Bäume einfach wunderschön.

Wir sind strategisch vorgegangen und haben Bäume oft in Ringform entlang von Kämmen gepflanzt. Mit einer Mischung aus nativen und exotischen Arten ist für Vielfalt gesorgt. Zäune halten das Vieh von ihnen fern. Inzwischen sind die Bäume, die wir vor 15 Jahren gepflanzt haben, groß genug, dass sie unserem Vieh und heimischen Tieren Schatten spenden, die somit ihren Dung weiter oben in der Landschaft hinterlassen, wo die Nährstoffe am nützlichsten sind, wenn sie mit dem Wasser hangabwärts befördert werden.

Die Rückkehr der Vögel

Konntet Ihr infolge der unternommenen Schritte messbare Veränderungen beobachten?

Rotstirn-Schnäpper: Seit 2006 berichten Vogelbeobachter jährlich von fünf bis sechs neuen Arten, sogar in trockenen Jahren.

Auf jeden Fall! Ein frühzeitiger Indikator für ein gesundes Ökosystem sind Vögel. Als die Vogelbeobachter von Danthonia vor mehr als einem Jahrzehnt mit ihrer Zählung begannen, erfassten wir rund 100 Vogelarten – heute liegt diese Zahl bei 150, Tendenz steigend. Von den 50 Neuzugängen stehen elf Arten in Verbindung mit größeren und gesünderen Feuchtgebieten und offenem Wasser und 15 mit dem enormen Zuwachs an blühenden Bäumen und Büschen. Der Rest hängt mit der Migration von Arten und einer generell höheren Lebensqualität zusammen.

Vor drei Monaten ist das Stauwasser hinter unseren Querdämmen infolge der Dürre ausgetrocknet. Dennoch ist die Grasnarbe unten wie ein Schwamm und das Gras ist grün und wächst weiter. Das zeigt, dass der Boden einfach der beste Ort ist, um Wasser zu speichern. Unlängst habe ich unsere Brunnenwasserprotokolle mit unserem gegenwärtigen Verbrauch verglichen. Trotz sehr geringer Regenfälle haben unsere Brunnen einen höheren Wasserpegel als in früheren Dürreperioden. In der Landschaft wird mehr Wasser gehalten.

Für unseren Bach haben wir gemessen, dass das Wasser mit einer Fließrate von 16 Litern pro Minute in unser Gelände eintritt. Wo der Bach unsere Farm verlässt, fließt er mit 50 Litern pro Minute. Selbst bei Trockenheit ist die Wassermenge, die wir an unsere Nachbarn weitergeben, bachabwärts dreimal höher als dort, wo der Bach bei uns ankommt! Der Grund dafür ist, dass weiter oben auf unserem Land Wasser zurückgehalten wird und sich im Laufe der Zeit seinen Weg nach unten bahnt. Das ist enorm motivierend und inspiriert uns zur Weiterarbeit.

Du hast den unglaublichen Mutterbodenverlust in der australischen Landschaft angesprochen. Dieser Boden muss über Jahrtausende gewachsen sein. Wie könnt Ihr hoffen, dass Ihr ihn regenerieren könnt?

Früher waren einige Experten der Ansicht, dass der Aufbau von nur wenigen Zentimetern Muttererde 300 bis 1000 Jahre dauern würde. Nach unserer Erfahrung trifft das aber nicht zu. Boden entsteht nicht primär durch verrottendes Blattmaterial usw. Ein lebendiger, gesunder Mutterboden entsteht durch die Wurzelausscheidungen von Pflanzen – Kohlenhydrate, Vitamine, organische Säuren und weitere Nährstoffe, die über die Wurzelsysteme der Pflanzen in den Boden freigesetzt werden. Auch von der durch Fotosynthese gebildeten Glucose gehen 30 bis 40 Prozent im Austausch gegen Nährstoffe über die Wurzeln in den Boden. Auf diese Weise unterstützen Pflanzen die Bodenbiologie: Pilze, Bakterien, Mikroorganismen und Mykorrhiza, die Symbiose von Pilzen und Pflanzen im Wurzelsystem. Diese nehmen die Glucose auf und wandeln sie in Humus um und damit in Muttererde.

Muttererde kann also recht schnell gebildet werden. Voraussetzung ist jedoch eine vielfältige Vegetation. Diese Diversität ist entscheidend und hängt in jeder Hinsicht mit unserer landwirtschaftlichen Praxis zusammen.

Das ist ein Bereich, auf den sich die wissenschaftliche Forschung aktuell konzentriert. Wir lernen, dass es bei einer wachsenden Pflanzenvielfalt einen bestimmten Triggerpunkt gibt – als Quorum Sensing bezeichnet – an dem eine rasche Bildung von Muttererde einsetzt. Aber wie viele Pflanzenarten braucht man für ein Quorum? Je mehr, desto besser, sagen Mikrobiologen. Verschiedene Pflanzen produzieren unterschiedliche Wurzelausscheidungen, die den Zugang zu spezifischen Bodennährstoffen ermöglichen. Mit nur zwölf Arten konnten positive Ergebnisse verzeichnet werden, schnellere Erfolge zeigten sich mit 40 Arten.

Unsere besten nativen Weideflächen in Danthonia enthalten zwischen 15 und 20 Arten. Damit sind wir noch weit von den Hunderten von Arten entfernt, die diese Landschaften einst geprägt haben – und die gemeinsam eine reichhaltige und vielfältige Grasnarbe bildeten, die die Entstehung und den Erhalt von Muttererde ermöglichte, sodass Wasser gespeichert und in Dürreperioden freigegeben werden konnte. Das Problem ist, dass auf schlechtem Boden nur schwerlich ein vielfältiges Grasland gedeihen kann. Wenn wir Kompostextrakt verteilen, versorgen wir den Boden mit Organismen, die dann aber nur schwer überleben können. Also experimentieren wir momentan mit einer biologischen Stimulanz, einer Art Cocktail aus Mikroben und organischen Verbindungen, mit denen die bereits im Boden vorhandenen lebenden Elemente genährt und unterstützt werden.

Ein weiterer Grund, warum wir die Vegetation auf unserem Land verbessern wollen, ist unser Kampf gegen die zunehmende Bodenversalzung. In Australien bringt jeder Regen dem Kontinent mehr Salz: Weil es keine großen Flusssysteme gibt, werden Salze nicht ins Meer gewaschen, sondern sammeln sich an und töten den Boden, sofern keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. Einst hielten sumpfige Schilfgebiete und eine Reihe anderer Pflanzen das Wasser in der Landschaft. So entstand eine oberirdische Süßwasserlinse, die das Salz unterdrückte und verhinderte, dass der Salzgehalt anstieg und der Bodenbiologie schadete. Wir arbeiten uns dorthin zurück, aber damit das möglich ist, brauchen wir einen gesunden Boden.